Thursday, March 09, 2006

Kapitel 4.3 - Von Null anfangen und sich gut dabei fühlen



(Bild: Winter 2000, Karaoke Wettbewerb im "Fables", Tallaght/Dublin)

Anfangs war es alles andere als leicht. Ich musste mir ein Haus mit fremden Menschen teilen, einige von Ihnen wahre Idioten und obwohl Irland in Europa liegt – Irland und Deutschland konnten unterschiedlicher nicht sein. In späteren Jahren, begann ich die irische Lebensart der Deutschen zu bevorzugen und Irland bekam mein Zuhause.

Aber am Anfang war es verdammt schwer. Die lange Arbeitslosigkeit in Deutschland war stets ein Hinderungsgrund für Vorankommen und es verwunderte nicht, dass ich das Angebot, im Ausland zu arbeiten, ohne Zögern annahm.

Ich emigrierte nach Irland im August 2000 und im Oktober hatte ich dann soweit alles für das Nachkommen meiner Frau und meiner Tochter geregelt. Die Mithausbewohner stimmten zu, dass wir den größeren, en-suite Raum kriegen, so dass wir soweit möglich als Familie leben können. Es war ja auch nicht für immer geplant und nur 5 Fußminuten vom Haus entfernt befand sich eine Kindergrippe und sie hätten meine Tochter auch angenommen.

Wir hatten in Deutschland besprochen, dass es ein großer Vorteil ist, wenn ein Kleinkind quasi mit zwei Muttersprachen aufwachsen könnte, und da das Englisch meiner Frau sehr gut war, sollte das annehmen eines Jobs nicht so schwer sein. Ich sprach sogar mit der in Irland ansässigen Version der Firma bei der Gabi in Deutschland arbeitete, und man sicherte mir zu, dass man gewiss etwas für sie tun könne.


Alles war gut und geplant – doch die Realität sollte anders aussehen.

Frau und Kind kamen an Weihnachten 2000 für eine Woche nach Irland. Was auch immer ich sagte oder zeigte, stieß auf Ablehnung. Mir wurde klar, dass diese Anti – Irland Haltung dazu führen würde, dass meine Familie nicht nach Irland nachkommt. Gabi wollte die Beziehung nicht zwingend beenden, aber ich stellte deutlich, dass ich auf keinen Fall nach Deutschland zurück kehren werde.

Der neue Job stellte sich als Sprungbrett für eine Karriere und finanziellen Frieden heraus (für eine Weile zumindest) und alles was ich durch meine Rückkehr erreicht hätte, wäre erneute Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe.

Hab ich hinter mir, noch mal? – keine Chance.

Um es kurz zu machen: Wenige Monate nach meiner Einreise war es klar, dass Sie nicht rüberkommen würden und irgendwann wurde die zweite Scheidung eingereicht und ich hatte ein weiteres Kind, dass ich nicht aufwachsen sehe.

Also flüchtete ich erneut tiefer und tiefer in meine Musik. Das fing ohnehin recht gut an. Lediglich sechs Wochen nach meiner Ankunft in Irland, war ich schon special Guest bei Tallaght Radio, wo ich die Co-Moderation der Show „The Pulse“ übernahm, kurz interviewet wurde und wo „African Queen“ und „Light Of Love“ von der Midnight Dreamer CD gespielt wurde.

Ich wurde recht bekannt, bei den regelmäßigen Anhängern des “Fables”, einem Karaoke- und Nachtclub und bald spielte ich vor 260 Leuten im Dubliner Gresham Hotel auf der Weihnachtsfeier der Firma, für die ich seinerzeit arbeitete.

Im Frühjahr 2001 trat ich dann erneut auf einer Valentines Party auf, für mich als „ leichte Unterhaltung bietender Romantic Popper“, ist das die beste Zeit des Jahres.

Ich hatte einen recht guten Absatz und verkaufte einige Exemplare meiner CD auch wenn die Industrie, die ich zwischenzeitlich kontaktierte, kein Interesse an mir zeigte.
Ich wurde bald befördert, hatte bald eine neue Freundin – ein komplett neues Leben und war glücklich wo ich war.

Es war natürlich nicht nur Heile Welt – meine Insulinpumpe gab den Geist auf, fast direkt nach meiner Ankunft in Irland und da ich erst wenige Monate in Irland war, übernahm das Eastern Health Board, nicht die Kosten für eine Pumpe.

In Deutschland konnte mir auch keiner helfen, ich war abgemeldet und zahlte meine Steuern in Irland, also musste ich eben warten bis die Zeit vergeht und mich selbst von Insulinpumpe auf intensivierte Insulintherapie zurück umstellen.

Das gelang mir mit mittelmäßigem Erfolg. Die Ärzte in Irland sind höchstens halb so effizient wie in Deutschland und die sogenannten Diabetologen im Tallaght Hospital waren auch nur bedingt nützlich. Es war furchtbar. Ich verlor ziemlich stark an Gewicht und es war schwer, das alles alleine zu machen.

Um noch eines obendrauf zu setzen, wurde meine Mutter in Deutschland mir Krebs manifestiert. Viel zu spät – es gab Behandlung aber keine Hoffnung auf Heilung.

Meine Mutter verlor massiv an Gewicht und verlor ihre Stärke. Dennoch schaffte sie es, mich noch zweimal in Irland zu besuchen. Einmal sogar ganz alleine. Sie verstarb an Ostersonntag 2004 im alter von 70 Jahren und generell ist es nicht immer einfach, wenn die Verwandtschaft 2000 Km weit weg wohnt.

Und Dennoch – Ich blieb! Denn ich erlebte etwas, was mir früher versagt war: Heimat! Ich fühlte mich zu Hause.

Zurück zu 2001: Ich bewarb meine Musik nicht wirklich bis zu dem Tag, an dem sich die Welt fundamental ändern sollte: September 11, 2001.

Wir hatten auf der Arbeit ein Meeting für den Nachmittag geplant und meine Chefin blies dieses dann irgendwann im Laufe des Tages ab. Obwohl Mobiltelefone im Gebäude streng verboten waren, nutzte sie es offen und häufig. Normalerweise die strikteste aller Bosse, gab sie einen Fliegenschiss auf die Firmenpolitik.

Später erzählte sie uns dann, dass sie Verwandte in New York hat, aber niemanden erreichen konnte. Wir hörten vom ersten Flugzeug, dann vom zweiten – und Abends saßen alle Hausbewohner einheitlich vor der Glotze, starr von der Unglaublichkeit der gezeigten Bilder.

Ich arbeitete für eine amerikanische Firma und es war ein sehr unangenehmes Gefühl, sich damit auseinander zu setzen, dass alles was amerikanisch ist, das nächste Ziel sein könnte.

Tage vergingen und die Zahl der Toten stieg und stieg. Ich war mittlerweile Teamleader in einem internationalen Call Center mit etlichen Nationen und so war es nicht sonderlich schwer, Leute zu finden, um ein Benefiz Konzert auf die Beine zu stellen.

denn da gibt’s keinen – das ist stets eine Riesenarbeit und man kriegt immer weniger raus, als man eigentlich hoffte.

Über die Jahre hatte ich in Kinderheimen, Kindergärten, im Hoch-Sicherheitstrakt, für die AIDS Hilfe, den deutschen Diabetikerverband und so weiter, und so weiter gespielt. Ich glaube, dass Musik keine Grenzen hat und die international verständliche Sprache ist. Es sollte und muss als „Augenöffner“ genutzt werden, als eine Art „Waffe“ manchmal sogar.

Im Endeffekt hatten wir schließlich 5 Acts, inklusive mir als Opener.

29.11.01 " Artists against Terror " @ The Library Tallaght / Dublin ( IRL ) with TJ, William Knight, DJ El Vino, DJ Holy Exzess, Bianka F.

Wir nahmen insgesamt 253 irische Pfund ein, die wir ausnahmslos der New Yorker Fire brigade zukommen ließen.

Es war nicht sonderlich schwierig, die “Library” (Pub) für uns zu gewinnen, und uns die Nutzung des Saales kostenfrei zu gestatten, wussten sie doch, dass wir jede Menge gern trinkende Gäste anlocken würden. Aufgrund des ernsten Hintergrundes, scheuten sie die Publicity dennoch ein wenig und verlegten den vereinbarten Tag von einem Samstag auf einen Donnerstag. Aber damit konnten wir leben.

Es war ebenfalls einfach Helfer zu finden und so konnten wir sogar einen irischen Moderator für unseren großen Abend gewinnen.

Ich eröffnete den Abend mit meinem Romantic Pop Ding, nachdem ich als „eine gute Seele mit einem guten Herzen“ angesagt worden war.

Da war Wim alias William Knight, ein Belgier, der mal mit mir im Haus wohnte und mit dem ich bereits zusammen auftrat, 2 DJ´s – einer aus Deutschland (Holy Exzess) , einer aus Holland (DJ El Vino). Bianka F. führte einen Zirkusakt vor und sang eine Acapella Version des Tracy Chapman Klassikers: „Behind the wall“ – so super, dass ich kurz nach dem Konzert ein Lied für sie zum singen komponierte.

Bianka nahm den Song auf und spielte mit mir beim 2002er Konzert im Civic Theater.

Zwischen 150 und 200 Leute kamen zum Benefiz – Konzert im November 2001 und es war ein Superabend und wir waren alle mächtig stolz.

Das nächste Ding auf meiner Liste, war das Konzert im berühmten Civic Theatre, wo große irische Künstler wie Frances Black oder Ronan Keating bereits auftraten. Natürlich würde ich den großen Saal niemals voll kriegen, aber der sogenannte „loose end“ Raum war perfekt und so trat ich im Februar 2002 dort auf. Ich hatte bereist mit der Arbeit an neuem Material angefangen und befand mich schon mitten in den Aufnahmen zum nächsten Werk: „TJ – Eternity“ , daher war dieses Konzert die perfekte Gelegenheit, Material zu testen.

Es war natürlich auch ein wenig gepokert, denn ich musste natürlich für den Saal und die Anlage zahlen. Mindestens 35 Tickets mussten über den Ladentisch gehen, ansonsten ist draufzahlen angesagt.

Letzten Endes verkauften wir 46 Tickets und es war eine positive, energetische Erfahrung.

Die Eternity lässt sich wohl am ehesten als „das ruhige Album“ beschreiben. Sie ist anders als ihre Vorgänger, was nur natürlich ist, denn ich war von einem völlig anderem Umfeld und Land beeinflusst.

Witzigerweise hat die CD mehr Soul Elemente als jede andere vorherige Veröffentlichung. Und das obwohl es beinahe zu 100% aus programmierten Samples besteht.

Letztlich kommt es darauf an, WIE man an die Musik heran geht und was man stimmlich zur Produktion beiträgt. Denn oft entscheidet die Stimme, wie elektronisch, soft oder poppig eine Produktion am Ende klingt.

Vielleicht ist das für normale Ohren auch alles zu abgehoben und man versteht mich ohnehin nicht?! Keine Ahnung.

Man kann Dinge im voraus ohnehin nicht planen und muss es dennoch tun. Vielleicht hätte ich das Civic – Konzert auf einen späteren Zeitpunkt verlegen sollen, um die Eternity verkaufen zu können. Andererseits war es kein Problem, weiterhin die Midnight Dreamer zu promoten, denn wohin ich auch gehe – mein Material ist stets etwas Neues für den Hörer, ganz gleich wie alt die Songs wirklich sind. Weil du ein Niemand bist, wenn du nicht vermarktet wirst, keine Plattenfirmenunterstützung hast ... legen die Menschen keinen wirklichen Wert auf deine Musik und so sind deine Sachen stets Neu, in gewisser Weise.

Da du als Künstler Fortschritte machst, dich entwickelst, sich deine eigenen Werte und Ansichten verändern, verändert sich auch deine Musik. Das ist auch der Grund, warum man immer wieder neues veröffentlicht. Neues zu sagen hat.

Das ist ein fast schon bösartiger Kreislauf – aber durch die Bewerbung der BEST OF CD, 2005, habe ich festgestellt, dass die meisten Menschen die neueren Sachen am Besten finden. Das Englisch ist besser, die Tonqualität ist besser, die Lieder sind reifer und sie geben einem extra Punkte für Ausdauer und Hartnäckigkeit.

Es ist großartig zu erleben, dass ich offensichtlich sogar einige Klassiker produziert habe. Lieder, die ich überall spielen kann und die immer anzukommen scheinen; „Like An Angel“ von der Hitech Systems oder die ganzen Pure Love Sachen.

Im Sommer 2002 endete eine weitere (Langzeit-) Beziehung als meine damalige Freundin entschied, nun doch wieder nach Deutschland zurück zu kehren. Herzschmerz ist also immer in der Nähe, und obwohl ich Langzeitbeziehungen mag, scheine ich doch langfristig nicht dafür gemacht.

„Music was my first love, and it will be my last“ … bla, bla, bla

In einer Episode von “Judging Amy” wurde gesagt: “ Leben WILL ein Durcheinander sein ...“ vielleicht ist es wahr, vielleicht nicht. Ich weiß es nicht.

Als sich 2002 dem Ende entgegen neigte, trat ich kostenlos im Molloys Pub in Tallaght Village auf und das war das schlimmste Konzert, dass ich je gab.

Aufgrund meines Lebensstiles und der vielen Veränderungen in jüngster Vergangenheit, konnte ich die „Eternity“ nicht richtig vermarkten und ich fand, sie hat etwas Aufmerksamkeit verdient.

Das Album war total unterbewertet und ich konnte auch keine Zeitung dazu kriegen, was darüber zu schreiben.

Das Konzert im Civic Theatre im Frühjahr 2002 war super. Ich spielte ja damals schon viele der Eternity – Songs, obwohl das Album ja noch in der Mache war, wie bereits gesagt, und ich dachte, ich tue mir und dem Album einen Gefallen, indem ich ein Konzert bei freiem Eintritt anbiete.

Das Molloys stellte mir ihren Pub und ihre Anlage zur Verfügung und ich brachte eine kleine Gruppe von Gästen mit, an einem wahrlich ruhigen Montag.

Ich war gut vorbereitet und war mit einem neuen Doppel – CD Spieler und neuem Mikro ausgestattet, um meine 1-Mann Show besser abziehen zu können.

Ganz ehrlich – das war das schlimmste Konzert in meiner langen Karriere. Und, ganz ehrlich, es war nicht meine Schuld: Ich hatte intensiv geprobt und das Publikum bestand größtenteils aus deutschen Arbeitskollegen – was genau das Problem war.

So gut wie keiner von denen konnte die Texte verstehen und auch nur Ansatzweise erfassen, was ich ausrücken wollte. Lediglich bei einigen tanzbareren Stücken, gingen die gut ab.

Wahrlich, ich sang von Liebe und Traurigkeit und Verlust, während ich sie dabei beobachtete, immer betrunkener zu werden.

Ich kann nicht genau sagen, ob es das Beste wäre, meine Liebeslieder nicht mehr zu Leuten unter 25 Jahren zu spielen, da ich oft merke, dass ich die jüngere Generation nicht mehr erreiche, denn sehr oft, auch wenn man nicht generalisieren sollte, hören die einfach nicht zu.

Zugegebenermaßen, ein Pub ist vielleicht auch nicht das beste Venue für meine Musik.

Wie auch immer, dies war ein echter Harter (Rück-) Schlag für mich.

Fairerweise gebe ich zu, dass nicht alles was ich mache, gut ist und ich bin auch offen genug, um Fehler zuzugeben. Einer der Gründe, warum ich jedes meiner Konzerte mitfilme, ist, um Reflektieren zu können und Fehler zu beseitigen.

Nach all den Jahren ohne greifbare Erfolge, gab mir dieser Abend den Rest und mein Selbstwertgefühl litt enorm.

Um bei 2002 zu bleiben: Eine Kollegin, die ich schon seit Jahren kannte, machte im Sommer 2002 gerade ihren Webmaster und suchte ein williges Opfer für ihre Prüfung und so kam es dann, dass ich eine komplette Website ohne Kosten erstellt bekam. Im „Gegenzug“ für die Geschichte meines Lebens (Biografie), Fotos und ein paar mp3s, und weil die Zusammenarbeit doch sehr intensiv war J, wurde aus meinem Webmaster dann meine Freundin.

Ja, du (Leser) hast gutes Recht zu denken: „Der alte Sack und seine Weiber“. Was mich betrifft, ist mir die Meinung anderer zu diesem Thema, mit Verlaub: Scheißegal.

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